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#041, #046
XX Seiten, XXX Abbildungen
2022, Eigenverlag
Mit einem Essay von xyzxyzxy- zezhvjdlhjfldhjldhgj
Der Titel der Arbeit ist das lateinische Wort für Insel. Seine geografische Bedeutung ist ein vollständig von Wasser umgebenes Stück Land, das nicht als Kontinent gilt, und im übertragenen Sinn ist es ein abgegrenzter Bereich.
Susanne Brodhage setzt sich in ihrer Arbeit Isola mit der gänzlichen Ganzheit eines Lebensraums und seiner prozesshaften Übersetzung in ein Bild auseinander. Bei der Umrundung im Boot nimmt sie eine Abwicklung, ein fotografisches Abtasten der einzigen möglichen Raumgrenze auf. Vier montierte Vorder- mit den jeweils genau gegenüber liegenden und über Kopf gestürzten Rückansichten werden anschließend digital zusammengefügt.
Die Insel ist vulkanischen Ursprungs und zur Hälfte völlig unzugänglich, nicht bewohnbar. Vor allem aber ihre Kleinheit und der relativ weite Abstand zum Festland bewirken, das sie nicht vollumfänglich angebunden ist. Es gibt auf ihr weder Straßen noch Autos, was ein Überschwappen, eine stärkere Vereinnahmung durch die Zivilisation vom Festland verhindert hat. Sie ist in gewisser Weise nicht anschlussfähig, sozusagen ausgeschlossen. Dies verleiht ihrer Abtrennung vom Festland einen ganz anderen Stellenwert, es ist das Grundthema ihrer Bewohner. Ein andauerndes Ereignis, das eine ganz andere Form und Ausrichtung, auch eine andere Zeiteinteilung bewirkt. Dazu gehört die Gleichgültigkeit jeder An- und Abreise, jedem Auftauchen und Verschwinden in ihrem Lebensraum gegenüber.
In ihrer Arbeit kehrt Brodhage die normale Perspektive um. In den Bildern ist der Horizont, der sonst auf der Insel in alle Richtungen das Blickfeld trennt und auf dem sich tagtäglich Schiffe, Fähren, Boote abzeichnen, die Wasser, Nahrung, und Touristen bringen, auf eine Achse reduziert. Zur Konzeption gehört noch ein weiteres abstraktes Verfahren, bei dem über die Karte der Insel vier imaginierte Achsen gelegt werden. Sie liefern an ihren Schnittpunkten mit der Küstenlinie die Auswahl der acht Ansichten.
Die bildliche Darstellung war ursprünglich einmal diejenige Praktik, die Karten hervorgebracht hat. Expeditionen zur See wurden unternommen mit dem Ziel unbekannte Küstenverläufe zu entdecken und zu erforschen. Zeichnungen wurden dabei als Grundlage angefertigt. Doch die Karten setzten sich später mehr und mehr gegenüber den Abbildungen durch. Heute greifen wir ganz selbstverständlich auf Satellitenaufnahmen zu, die uns die Umrisse aller Kontinente und jeder Insel lückenlos projizieren. Das geografische System der Karte schafft eine totale Verfügbarkeit. Ihre unersättliche Eigenart des Alles auf einmal scheint getrieben von einem unstillbares Verlangen nach der ganze Welt. Dabei gerät die Art des In-der-Welt seins mehr und mehr in Vergessenheit.
Die Arbeit Isola erzählt von einem eigenwilligen Ort der Existenz. Die felsigen Umrisse, die wir auf den Aufnahmen sehen, zeichnen einen unnachgiebigen Rand des Lebens selbst ab. Hier ist das Ganze einer kleinen Welt ohne ein mehr.
Mit ihrer Arbeit FJORD erarbeitet Susanne Brodhage einen Übersetzungsprozess von Landschaft ins Bild und macht ihn als Bestandteil der ästhetischen Erfahrung von Fotografie sichtbar. Ihre Aufnahmen sind das Resultat eines Aufzeichnungs- und Abmischungs-Prozesses.
Ein Residence-Stipendium führt Susanne Brodhage 2009 nach Island in eine kleinen Stadt, die am Endpunkt eines sich weit ins Landesinnere erstreckenden Fjords gelegen ist. Die mächtigen Bergketten seiner Ufer bilden den festen Bestandteil dieses Lebensraums. Jeder Blick aus dem Fenster ist ein Bild, eine Ansicht der Berge. Ein erster und ungewohnter Eindruck auch für den ankommenden Reisenden. Unwillkürlich bekommt schon auf dieser Ebene die Umgebung eine gewisse Handlungsmacht, sie drückt sich ins Bewusstsein, hinterläßt einen Ein- oder Abdruck.
In den Begegnungen mit den Einheimischen entfaltet sich in ihren Erzählungen ein Sprechen zwischen Individuum und dem hier in übergangsloser Nachbarschaft umgebenden Landschaftsraum. Er entzieht sich der einfachen Kontrolle durch die Einwohner. Auf diesen widerspenstigen Aspekte hat der Mensch seit jeher mit Emotionen reagiert, auch wenn heute insbesondere durch die Erfahrungen globaler Mobilität die Reaktionen weniger stark sind. Es bleibt aber doch ein ästhetisches Element in der Einstellung zur Natur, ein beständiger Dialog als könnte aus dieser Richtung eine Antwort oder auch nur ein Oberton zum Leben kommen.
Ein Foto scheint nicht adäquat um etwas hiervon zu beleuchten. Andererseits könnten Bilder, die täglich gesehen werden, die den Alltag begleiten, so etwas wie Geräusche und Töne im Hintergrund sein. Verglichen mit dem Sehen ist das Hören auch unkonzentriert und passiv. Geräusche werden auch ohne Kontext gehört. Im musikalischen und akustischen Bereich ist der Begriff der Aufzeichnung ganz selbstverständlich. Musik kann Splitter und Teile der Realität aufzeichnen und sie zum klingen bringen. Susanne Brodhage entscheidet sich für eine Art der fotografischen Aufzeichnung. Das ist in der Fotografie gewissermaßen eine abstrakte Handhabung ihrer Mittel unter Ausschluss einer Menge anderer Möglichkeiten.
Auf mehreren Wanderungen nimmt sie das gesamte achtzehn Kilometer lange Fjord Ufer in paralleler Aufsicht vom gegenüberliegenden Ufer aus auf. Das fotografische Ausgangsmaterial sind schließlich zwei Abwicklungen bei unterschiedlichen Witterungsverhältnissen, die anschließend digital zusammenmontiert werden. Teilstrecken aus diesen beiden montierten Panoramen werden heraus gesampelt und neu abgemischt. Dabei werden sie entweder gestaucht oder gedehnt. Es ist ein Pulsieren zwischen einem Zusammeziehen und Weiten der Längen.
Die Bilder der Arbeit Fjord erfahren durch ihren Entstehungsprozess eine zeitliche und räumliche Loslösung aus dem originalen Kontext, verlieren aber nicht den Bezug zu ihrer Vorlage, es entstehen gewissermaßen Variationen. Der Betrachter erfährt zuerst eine Irritation und wird dadurch angeregt die Verschiebungen und Differenzen genauer wahrzunehmen. Derart intensiviert sich seine Beziehung noch zum Werkgegenstand, es kommt auch hier wiederum zu einer wechselseitigen Beobachtung.
Ein Artist-in-Residence-Stipendium führt Susanne Brodhage im Jahr 2009 nach Island und sie kehrt mehrmals dorthin zurück. Die Arbeit Circum vereint Fotografien von Landschaftsausschnitten, entlang der Ringstraße, die am äusseren Rand um die Insel herum führt, aufgenommen. Es sind Landschaften, die von den zahlreichen Touristen vielleicht nur flüchtig aus dem Autofenster gesehen werden – auf den ersten Blick unspektakulär – bei näherer Betrachtung von ganz eigener Intensität. Susanne Brodhage ist in kleinen Etappen einer Grenze gefolgt, von der aus in Island der Blick immer wieder in einen unbewohnten Raum der Natur hinüber geworfen werden kann.
Schwarze unwirtliche Felsen, die auf hellen mit Flechten bewachsenen Flächen liegen. Eine abschmelzende Gletscherzunge vor dunklem Bergmassiv. Surreal erscheinende Sandebenen und tiefe Krater. Das Auftauchen von Menschen scheint sich in diese Landschaften nicht so ganz einzufügen. Sie erscheinen hier als Farbtupfer, wie formales Beiwerk, ebenso wie Spuren menschlichen Wirkens: ein skulpturales Denkmal auf einer Passhöhe, ein Aufforstungsversuch oder ein Bolzplatz.
Bei jeder Pause, mit jedem Innehalten erstrecken sich neue Umgebungen ringsherum. Doch Susanne Brodhage geht es nicht um Bilder von allgemeinen Szenen. Sie spürt sehr achtsam dem flüchtigen Interesse ihrer Augen nach, die die Umgebung abtasten immer auf der Suche nach Punkten der Ruhe, Landmarken oder Merkmalen am Horizont. Sie konzentriert sich auf diese bestimmten Objekte, an denen die Augen vielleicht auch nur ganz kurz hängen bleiben. Diese Haltepunkte verleihen der Beliebigkeit des Ausschnitts eine Ordnung. Jeder Ort ist eine momentane Konstellation von festen Punkten. Die Aufnahmen sind Beschreibungen einzelner Wegstrecken.
Durch sehr sorgfältige Bildkomposition wird starke Schichtung in die Tiefe vermieden, die Horizontlinie ist immer wieder weit nach oben verlegt. Die gleichzeitige Erfahrung von Nähe und Ferne regt den Betrachter an aktiv mit seinen Augen wiederum die Oberflächen der Bilder abzutasten. Details sind zu erforschen, die über Beschaffenheit und Dimensionierung Aufschluss geben könnten. Dabei wird deutlich, das ein „Davor„ und ein „Danach“ im Bild unsichtbar bleibt. Der Rest der Realität muß vom Betrachter sozusagen erst erkannt werden.
In der Landschaft, wie wir sie gewohnt sind, lässt das Vergehen und Wiederentstehen durch die vier Jahreszeiten die Natur unveränderlich erscheinen, keine klare Geschichte ist darin zu erkennen. Island ist in der Mitte größtenteils von Gletschergebieten und steinigen Wüsten bedeckt und die sehr kurze Wachstumsperiode führt hier auch zu keiner nennenswerten höheren Vegetation. Das Gebiet ist nicht kultivierbar. Dagegen zeigen sich Zeichen von entstehungsgeschichtlichen Ereignissen, Erosionsprozessen und die Transformationen in jüngster Zeit deutlich in den offen daliegenden Formationen und Strukturen der Oberflächen.
Die Aufnahmen der Arbeit „Circum“ sind Ausschnitte, sie beziehen sich aber auf einen allumfassenden Erlebnisraum – es ist eben dieser Grenzbereich zwischen dem Kulturraum des Menschen und einem Raum der Natur. Ihr erzählerisches Moment wird ursächlich durch verschiedene Bewegungen erzeugt. Bewegung, die fließend Räume in Orte und Orte in Räume verwandelt. In diesem Sinne ist die Arbeit „Circum“ auch eine Reflexion der Künstlerin über eine universelle Erfahrung mit der wir Realität erkennen und konstruieren. Sie regt dazu an den ihr zugrunde liegenden Bedingungen im Denken weiter nachzugehen, dem Unterschied zwischen Handeln und Sehen.
Abgelaufen ist eine Bildserie, die in den Jahren 2005 bis 2008 in Berlin entstanden ist. Susanne Brodhage entscheidet sich mit ihrem ersten längeren Aufenthalt zu Fuß kreuz und quer durch die Stadt zu laufen noch ohne eine verfeinerte Ortskenntnis und verzichtet auf jede Navigation. Sie konzentriert sich mit diesem privilegierten nicht zielgerichteten Blick auf räumliche Ausdehnungen und Qualitäten im Zusammenspiel aus Architekturen, Fassaden, Objekten und Benutzern.
Vor einem fast weissen erregungsfreien Himmel fotografiert sie den dreidimensionalen Raum, der sich zwischen architektonischen Versatzstücken aufspannt und den Boden und den grauen Himmel als Decke benötigt, um als solcher erkennbar zu werden. Raum, der nicht a priori schon da ist, sondern immer erst entsteht.
Mitte der Nullerjahre war die besondere Situation in Berlin, das mit der Beseitigung der Mauer sich die gesamte räumliche Struktur der Stadt verschob. Riesige Brachflächen, plötzlich in zentraler Lage, wurden zu begehrten Objekten von Investoren und Bauherren. Die Zusammenführung von Ost-und West-Berlin, zweier Millionenstädte mit unterschiedlichster Geschichte wurde weiter vorangetrieben. Dabei blieb im Alltag der Stadtbewohner verborgen wie viele Prozesse, durch wie viele unterschiedliche Akteure gelenkt, tatsächlich gleichzeitig abliefen und auf welche Weise sich dabei die „inneren Bilder“ von der Stadt veränderten oder zum Teil ausgelöscht wurden.
Mit ihrem Blick begegnet Susanne Brodhage diesem Umbau der Stadt. Ihre Aufnahmen erscheinen zunächst beiläufig. Architektur mit Wiedererkennungswert wie der Zoopalast rücken in den Hintergrund, Schinkels Backsteinbau ist an den Rand gerückt, haushohe Großplakate ragen wie zufällig ins Bild oder bestimmen die Aufnahmen, indem sie ganze Gebäude und Baustellen verhüllen. Bei genauer Betrachtung wird sichtbar, in diesem städtischen Aussenraum der Innenstadt kommt Simulation und Illusion zum Einsatz durch „szenografische Techniken“, wie Ereignis- und Zwischen-Architektur und digitale Entwürfe für temporäre und gebaute Fassaden.
Die detailreichen Farbfotografien offenbaren uns einen künstlichen Raum, der weniger gewachsen sondern hochgradig konstruiert ist, um in erster Linie ein urbanes Erlebnis zu beschwören. Sorgfältig komponiert schließen die Aufnahmen Ränder, Übergänge und Rückseiten von Konstruktionen und Fassadisierungen mit ein. Dadurch werden Zwischenräume sichtbar und das Verhältnis von einem Davor und Dahinter schwingt mit. Die Arbeit „Abgelaufen“ dokumentiert nicht einfach „historische Bilder“ der Stadt Berlin, ihre starke Wirkung liegt vielmehr darin, das sie versucht einen Blick hinter die Bilder zu werfen, sozusagen in die Wirklichkeit.