OUTWARDS / Isle Portraits

Die konzeptionellen Fotoarbeit wurde auf einer kleinen autolose Insel vor Sizilien umgesetzt. Susanne Brodhage wählt die Insel als „Anderen Ort“ und gleichzeitige als Begegnung mit dem weiten offenen Raum. Alle Porträts wurden auf den flachen Dächern der Häuser aufgenommen, die über die ganze Insel verstreut in unterschiedlichen Höhenlagen gelegen sind. Anhand äußerlicher Merkmale finden sich schließlich Paare aus der Gesamtheit der Bewohner. Sie sind an ihren jeweiligen Horizontlinien zueinander ausgerichtet. 

Um auf eine Insel zu gelangen, muß zuallererst ihre faktische Trennung vom Festland überwunden werden. Dieser Abstand macht den Unterschied; es ist das Wasser, das Meer, das die Insel ganz umschließt. Das Leben in der Distanz gegenüber dem Festland, führt zu einer gewissen Identität, einer besonderen Nähe nach Innen, die vom Leben auf ihrem begrenzten Raum noch verstärkt wird.
Der Ankommende wird zwangsläufig der Erfahrung eines abrupten Einschnitts durch diese Isolation ausgesetzt, einer Freisetzung, die mit einem erhöhten Grad an Bewusstheit einher gehen kann. Zuallererst in der Deutlichkeit und Präsenz, mit der alle Dinge wahrgenommen werden. 

In unserer kulturellen Vorstellungswelt gibt es eine lange Tradition in Inseln existenzielle Metaphern zu sehen; „Reif für die Insel“. Aber auch für unterschiedlichste individuelle Sehnsüchte sind sie bis in die Gegenwart Gegenwelt und Spiegelfolie eines Lebens geblieben, das sich anders imaginiert. Vor allem aber scheint unter den menschlichen Bedingung des globalen Existierens das Alleinsein mit besonderer Prägnanz zum Ausdruck zu kommen.

Der Schriftsteller und wichtigster Begründer der „humanistischen Geographie“ Yi-Fun Tuan, schlägt in seinem Buch „Space and Place“ vor: dass Ort Sicherheit und Raum Freiheit ist. Wir hängen an dem einen und sehnen uns nach dem anderen. Und weiter: Die Ideen „Raum“ und „Ort“ bedürfen einander in der Definition. Von der Sicherheit und Stabilität des Ortes aus sind wir uns der Offenheit, Freiheit durch den Raum bewusst und umgekehrt. Der offene Raum suggeriert die Zukunft und lädt zum Handeln ein. Auf der negative Seite ist er eine Bedrohung. Eine Wurzelbedeutung des Wortes „schlecht“ ist „offen“.
Offen und frei zu sein heißt exponiert und verletzlich zu sein. Dies führt zu dem Schluß, das Menschen auf Grund ihrer verschiedene Arten der Erfahrungen ihre Lebenswelt als Bilder komplexer – oft ambivalenter – Gefühle interpretieren.

Die Konzeption von OUTWARDS/ Isle Portraits gibt einen sicheren Ort vor und eine Haltung, die Betrachter und Fotograf einnehmen. Sie sind Augenzeuge und Teilnehmer zugleich eines Prozesses, der die Porträtierten verwandelt, rückverwandelt in Individuen, aus der Masse herausgelöst, und sie in einen Dialog zwischen Naturraum und Zivilisation eintreten läßt.



English Version


OUTWARDS / Isle Portraits

The conceptual photographic work was realized on a small carless island off Sicily. Susanne Brodhage chooses the island as an „other place“ and at the same time as an encounter with the wide open space. All portraits were taken on the flat roofs of the houses, which are scattered all over the island at different altitudes. On the basis of external characteristics, pairs are finally found from the entirety of the residents. They are aligned with each other on their respective horizon lines.

To get to an island, first of all its factual separation from the mainland must be overcome. This distance makes the difference; it is the water, the sea, that completely encloses the island. Living at a distance from the mainland, leads to a certain identity, a special closeness to the interior, which is reinforced by living in its limited space. The arriviste is inevitably exposed to the experience of an abrupt cut through this isolation, a release that can be accompanied by a heightened level of awareness. First of all in the distinctness and presence with which all things are perceived.

In our cultural imagination there is a long tradition of seeing existential metaphors in islands; „Ripe for the island“. But also for the most diverse individual longings they have remained until the present counterworld and mirror foil of a life that imagines itself differently. Above all, however, under the human condition of global existence, loneliness seems to be expressed with particular conciseness.

The writer and most important founder of „humanistic geography“ Yi-Fun Tuan, suggests in his book „Space and Place“: that place is security and space is freedom. We are attached to one and long for the other. And further, the ideas of „space“ and „place“ require each other in definition. From the security and stability of place, we are aware of openness, freedom through space and vice versa. The open space suggests the future and invites action. On the negative side, it is a threat. A root meaning of the word „bad“ is „open.“ To be open and free is to be exposed and vulnerable. This leads to the conclusion that people, based on their different kinds of experiences, interpret their life world as pictures of complex – often ambivalent – feelings.

The conception of OUTWARDS/ Isle Portraits provides a safe place and an attitude that viewer and photographer assume. They are eyewitnesses and participants at the same time of a process that transforms the portrayed, transforms them back into individuals, detaches them from the masses, and lets them enter into a dialogue between natural space and civilization.